Life's Blood -- Defiance 7"

Wie heißt es doch so schön? Absence makes the heart grow fonder? Kann bestimmt jeder ein Lied von singen. Ich muss bei diesem Spruch immer an eine Handvoll Hanseln denken, die 2400 km südlich von Berlin leben -- ein paar Freunde, die ich vor fast zwanzig Jahren über Hardcore/Punk kennengelernt habe, mittlerweile sehr selten sehe, aber über alles liebe.
Einer dieser Hansel ist Ivan, der sympathischste Kotzbrocken ever. Der Kerl ist nicht nur ein wandelndes Musiklexikon, sondern auch irgendwie ein "Visionär". 2001 meinte er zu mir, dass ich doch bitteschön das Zeug von Def Jux und nicht irgendwelchen drittklassigen Pop-HipHop hören sollte. "El-P hat 'ne große Zukunft", lauteten seine Worte damals, und fünfzehn Jahre später lesen planlose Hipster in der Vice über Run The Jewels und pumpen deren Platten, als hätten sie den Scheiß entdeckt. Willkommen im Club, Leute ... aber das ist ein anderes Thema.
Vor Kurzem habe ich Ivan gefragt, welche Single für ihn persönlich die wichtigste in seiner Sammlung ist. Die Antwort kam prompt: Life's Blood -- Defiance 7".
Nachstehend unser Austausch zu dieser Hammerscheibe.

Wann und wie hast du die Defiance 7” von Life’s Blood in die Hände bekommen?
Das war im Rahmen eines Kassettentauschs Mitte der Neunziger. Da haben die Leute noch Listen von den Platten gemacht, die sie dir aufnehmen konnten, und du hast die Scheiben angekreuzt, die du gern auf dein Tape haben wolltest. Ich habe mir auf der Liste eines Tauschpartner Life’s Blood ausgesucht, weil die Band eine Verbindung zu Citizens Arrest hatte. Von denen kannte ich nämlich schon die A Light In The Darkness 7", die mir derselbe Typ vorher mal aufgenommen hatte. Ich glaube, auf dieser Kassette war dann noch die New Breed Tape Compilation. Sehr viel später erst, irgendwann Anfang der Nullerjahre, habe ich mir dann das Re-Release der Defiance 7” auf Vermiform zugelegt.
Warum ich mich ausgerechnet in diese Single verliebte? Nun, sie kombinierte auf meisterhafte Weise zwei Aspekte, die Hardcore für mich so besonders machten: Aggression und Verachtung.

Was für Musik hast du damals gehört und wie fandest du dann Life’s Blood im Vergleich?
Uffff … ich hatte schon immer einen eher eklektischen Musikgeschmack, der zuweilen ziemlich durchgeknallte Kombinationen hervorbrachte. Zu dieser Zeit erweiterte ich gerade meinen Horizont und hörte viel elektronisches und postrockiges Zeug, teils sehr beschämenden Kram, um ehrlich zu sein. Parallel dazu lebte ich meine Begeisterung für unbekannte und verschüttgegangene Punkbands aus, saugte aber auch die aktuellen Releases von Napalm Death und Entombed auf. Dazu kamen die ersten Black-Metal-Geschichten und eine zaghafte Annäherung an den Pop der Sechziger. Ich feierte aber auch Red House Painters und Jawbreaker und verabschiedete mich so Stück für Stück von meinen Anfängen im Melodic Hardcore. Im Vergleich mit dem Großteil der Musik, die ich damals hörte, war Defiance roh und stumpf und hatte eine grottige Produktion -- was ich heute mehr denn je mag.
Es war ein Sound, der nur mir zu gefallen schien. In meiner Heimatstadt Alicante gab es niemanden, mit dem ich meine Leidenschaft für diesen krachigen HC/Punk teilen konnte. Während andere sich in ihren Zimmern verbarrikadierten und Nick Drake hörten, liebte ich es, mit dem Walkman durch die Stadt zu marschieren und dabei volle Pulle das Tape mit der Defiance 7” zu hören. Hatte irgendwie was Asketisches. Für viele Menschen mag das primitiver Krach sein, Musik für intolerante Höhlenmenschen, bei der sich alles gleich anhört. Für mich aber war Defiance ein Affront gegen den Großteil der Musik, die ich zu dieser Zeit der Horizonterweiterung hörte – und so etwas ist eigentlich immer eine gute Sache.


Im Grunde waren Life’s Blood ja eine New-York-Hardcore-Band. Überdurchschnittlich smart vielleicht und krachiger, aber sie gehörten dieser Szene an. Hattest du damals diese Szene und ihre Gruppen auf dem Schirm? Was hältst du von NYHC und diese eigenartige Sache, in die er sich verwandelt hat?
Als ich mit Hardcore anfing, also 1993/1994, galten abseits vom Melodic Hardcore aus Kalifornien vor allem die Bands aus NYC und die mit Releases auf Revelation Records als amtlich und "authentische" Vertreter des Genres. Von den verschiedenen Subszenen in NYC – also ABC No Rio auf der einen und Sick Of It All, Killing Time, Sheer Terror etc. auf der anderen Seite – hatte ich allerdings keine Ahnung. Für mich war das alles eins, von Gorilla Biscuits und Judge bis zu Citizens Arrest. Ich hatte keine näheren Informationen über diese Szene, und die wenigen spanischen Fanzines, die es gab, lieferten nur dürftige Infos zu diesem Thema. Fakt war allerdings, dass mich schon damals in erster Linie die krachigeren Geschichten faszinierten. Für mich konnte es nicht schnell und durchgedreht genug sein. Trotzdem habe ich die ersten Scheiben dieser Szene immer sehr genossen: Agnostic Front, Antidote, Madball, Straight Ahead, Judge und so weiter. Mein Geschmack verschob sich dann jedoch mehr und mehr in Richtung der DIY-Szene und ihrer Releases, auch wenn ich damals weder kapierte, das das so war, noch wirklich wusste, was es damit überhaupt auf sich hatte. Zu dieser Zeit war das alles sehr intuitiv, man hörte auf sein Bauchgefühl. Ich hatte einfach nicht genügend Hintergrundwissen, um das alles einordnen zu können.

Hast du auch die anderen Bands gehört, die aus Life's Blood hervorgingen, also Born Against, Men's Recovery Project und so weiter? Wie fandest du die?
Born Against habe ich zur gleichen Zeit wie Life’s Blood gehört, Men’s Recovery Project hatte ich erst ab Ende der Neunziger auf dem Schirm. Besonders Born Against waren ja damals für die Leute, die etwas tiefer in der Materie drinsteckten, schon eine große Nummer. Und für jemanden wie mich, einen Fan von Black Flag und Bl'ast, waren sie natürlich eine Offenbarung. In diesem Zusammenhang kann ich jetzt vielleicht auch zugeben, dass es eine Zeit gab, in der ich nahezu alles verschlang, wo Sam McPheeters draufstand. Und der Kerl hat mich nur selten enttäuscht.

Sänger Jason O'Toole ca. 2009. Aufschlußreiches Interview hier.

Gibt es für dich heutzutage noch Bands, die genauso auf dich wirken wie die Single von Life’s Blood oder war das eine singuläre Erfahrung?
Nein, gibt es nicht, aber das ist eine Folge des Alters, ich bin mittlerweile 38. Dennoch kommen immer noch Hardcore-Platten raus, die mich wirklich kicken. Letztes Beispiel: die erste LP von Cinderblock, auch wenn das musikalisch eher UK-Punk der zweiten Generation à la The Partisans ist.
In der Vergangenheit gab es aber schon ein paar Bands, die dieses ursprüngliche Feeling der Defiance 7" wieder in mir heraufbeschworen haben: Boston Strangler, No Tolerance oder Wasted Time zum Beispiel. Im Grunde sind das zwar allesamt Revival-Kapellen, aber in ihren Songs steckt genug Hass und Verachtung, um mich wieder für Hardcore zu begeistern.
Bei der Single von Life’s Blood war das Gesamtpaket natürlich authentischer, weil weniger kalkuliert und geplant, und Details wie der Sound waren weniger durchdacht. Deshalb strahlt diese Platte meiner Meinung nach ein Gefühl von Gefahr und Aggression aus, das nur schwer erreichbar ist ... und genau das macht diese Songs so besonders für mich. Insofern würde ich also schon sagen, dass die Single von Life’s Blood für mich eine singuläre Geschichte ist.

Könntest du uns abschließend ein paar aktuelle spanische Bands empfehlen? Und erzähl mir jetzt bitte nicht, es gäbe da nichts!
Nun, es gibt natürlich schon ein paar gute Bands in Spanien. Als Erstes möchte ich die wahrscheinlich beste Punkband nennen, die wir zu bieten haben: Una Bèstia Incontrolable. Dissonant, noisig und weitab ausgetretener Pfade, ohne dabei diese scheiß Künstlerschiene zu fahren.
Dann gibt es zwei Bands aus Galizien, jedoch aus komplett unterschiedlichen Genres, die ich sehr mag. Beide sind spektakuläre Live-Bands und beide haben äußerst bemerkenswerte Platten veröffentlicht ... Die eine heißt Balmog, deren jüngstes Album Svmma Fide eines der besten Black-Metal-Releases des Jahres 2015 sein dürfte. Die anderen sind Fogbound, die drei fantastische Singles veröffentlicht und 2016 ihre erste LP rausgehauen haben. Fogbound spielen Freakbeat, sprich: Britischen Garage-Psych Jahrgang 67-69. Ihre Songs könnten gut und gerne als unbekannte Singles der besten Vertreter dieser Ära durchgehen. Ich weiß, dass bei dieser Frage noch mehr Bands zu nennen wären, aber das sind nun mal die drei Bands, denen ich mit Leidenschaft folge.




"A HISTORY OF LIFE'S BLOOD"
from Behind the Times # 2, February 2004







VERSIÓN EN ESPAÑOL

¿Cuando y como conseguiste el Defiance 7” de Life's Blood?
Lo conseguí mediante un intercambio de cintas, a mediados de los 90, recuerdo que lo elegí de la lista de intercambio por su conexión con Citizens Arrest, el mismo tipo me grabó en otra cinta anterior el A Light In The Darkness 7”. Creo recordar que el resto de la cinta contenía también el New Breed Tape Compilation. Ya años más tarde pude pillar la reedición de Vermiform, ya pasados los dos mil. He de añadir que ese single contiene dos de las razones por las que me gusta el hardcore, agresión y desdén.

¿Qué tipo de música escuchaste por entonces y qué tal te pareció Life's Blood en comparación?
Uffff ... siempre he sido ecléctico de una forma demencial en mis gustos, y en aquella época estaba expandiendo mis gustos escuchando mucha electrónica y post-rock vergonzante, cavando más en mi obsesión por grupos de punk ignotos, atento a los discos que sacaban Napalm Death y Entombed en aquel momento, algo del primerizo black metal, descubriendo tímidamente el pop de los 60, enganchado a Red House Painters y Jawbreaker y dejando atrás el hardcore melódico. En contraposición a la gran mayoría de música que escuchaba, podemos decir que Defiance era cutre, unilateral y con una producción mohosa, algo que me gusta aún más hoy en día. Siempre me pareció un sonido que solo disfrutaba yo, no tenía en Alicante con quien compartir mi pasión por el HC/Punk más ruidoso. Unos escucharán a Nick Drake en la soledad de sus habitaciones, a mi me gustaba marchar sobre la ciudad con el walkman mientras atronaba la cinta que contenía el Defiance, tenía algo de ascético. Para la mayoría de gente podría ser ruido iletrado, pandillero, intolerante y que sonaba todo el rato igual. Defiance era una afrenta contra la mayoría de música que oía en aquella época, en la que estaba expandiendo mis conocimientos con las señales que existían por aquel entonces, y eso es siempre bueno.

En el fondo Life's Blood era un grupo de New York Hardcore, más inteligente quizás y más ruidoso, pero pertenecían a esta escena. ¿Tu estabas consciente de esta escena y de los grupos por entonces? ¿Qué opinas del NYHC y de la cosa en que se ha convertido?
Podemos decir que en la época que yo empecé a escuchar hardcore, 1993/1994, aparte de la escena de California de hardcore melódico, lo más "auténtico" era NY y Revelation Records. No era consciente de todas esa subdivisiones en, por ejemplo, la escena del ABC No Rio y por otro lado Sick Of It All, Killing Time o Sheer Terror. Para mi desde Gorilla Biscuits y Judge a Citizens Arrest eran lo mismo. No tenía información sobre aquello, y los pocos fanzines españoles que habían eran confusos al respecto. Pero si que me atrajo enseguida lo más ruidoso, veloz y enfermo, aunque siempre disfrute mucho los dos primeros discos de Agnostic Front, Antidote, los primeros Madball, Straight Ahead, Judge ... aunque yo sin saberlo mis gustos se dirigían hacía la parte más DIY sin yo tener ni idea. Ya te digo por aquel entonces todo era intuitivo, no tenía el contexto suficiente.

¿Tu seguías los otros grupos de los miembros de Life’s Blood como Born Against, Men’s Recovery Project etc. ¿Qué opinabas de ellos?
Born Against los escucharía a la par que Life's Blood, Men's Recovery Project ya los descubriría más hacia final de los noventa, en cierta manera Born Against en aquel momento eran la banda, vamos dentro ya de la gente más metida en el rollo eran una referencia, y para un fan de Black Flag y Bl'ast como yo, me obsesionaban. He de confesar que a partir de una época en todo lo que estuviera envuelto Sam McPheeters yo andaba tras la pista. Y pocas veces me ha decepcionado.

¿Hay grupos en el mundo -- hoy en día -- que tienen el mismo efecto para ti como el single de Life's Blood entonces o era algo singular?
Ufff ... no, pero por una cuestión ya de edad, tengo 38 años, aunque aún salen discos de hardcore que me hacen hervir la sangre, el último el primer lp de Cinderblock aunque esté más cerca de un punk británico de segunda generación tipo Partisans. Pero te voy a decir unos cuantos nombres que me han llevado a revivir esa sensación; Boston Strangler, No Tolerance o Wasted Time. Todos ellos puro revival pero con las dosis de odio y desprecio que me hicieron volverme tarumba por el hardcore. El single de Life's Blood está hecho de una forma menos consciente, detalles como el sonido no estaba tan meditado, algo que le da una sensación de peligro y agresión diría que irrepetible, que es lo que lo hace vigente. Así que puedo afirmar que lo de Life's Blood es algo singular para los estándares de hoy en día.

Vale, muy bien. Para concluir podrías recomendarnos algunos grupos de Espanya que merecen la pena hoy en día? Y no me digas que no hay na'! ;-)
Pues sí que hay ahora mismo grupos buenos en España, voy a empezar por el que sea el mejor grupo de punk del Estado ahora mismo Una Bestia Incontrolable, disonantes, ruidosos y fuera de lo común sin ser unos artistillas de mierda. Ya en otra onda, mis dos grupos favoritos españoles en la actualidad son gallegos y diametralmente opuestos, aunque ambos con un directo espectacular y grabaciones más que notables. Unos son Balmog, cuyo ultimo disco Summa Fide es uno de los mejores discos de black metal del año pasado y los otros Fogbound, que tienen publicados tres singles espectaculares y en breve sacan su primer. Fogbound hacen rollo freakbeat, es decir garage psych britanico cosecha 67-69, y sus canciones podrían pasar por un single desconocido de lo mejor de aquella época. Hay más cosas relevantes, lo sé, pero estas son las que sigo con devoción.

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Life's Blood -- Defiance 7" (Combined Effort Records / Vermiform), 1988