Rebarker / Unrestrained -- Split 7"

Vor ein paar Monaten in der Deutschlandzentrale des schlechten Geschmacks: Die allmächtigen Zann spielen eine ziemlich mies besuchte Show mit meinen Hommies von Rebarker in Magdeburg. In der Umbaupause lasse ich mir vom Rebarker-Schreihals entgegen meiner üblichen Gewohnheit ein Fanzine andrehen. Es heißt Kalter Kaffee Zine und ist ein kopiertes A5er-Heft im Cut-and-Paste-Layout ...

Mit "Cut-and-Paste-Layout" meine ich dabei nicht diese selten hässlichen Versuche irgendwelcher Wannabe-Grafikdesigner mittels viel Computertechnik und wenig Fantasie ein klassisches Schnipsellayout nachzuahmen, sondern die klassische Sisyphusarbeit des Zinemachers: Unmengen Exemplare von Die Bunte, Das Goldene Blatt und Bild am Sonntag klauen, die absurdesten Überschriften und Zitate ausschneiden und völlig zusammenhangslos neben die Fotos von massakrierten Kriegsopfern und den jeweiligen Lieblingspunkbands sowie deine per Schreibmaschine oder 08/15-Editor verfassten Texte kleben. Heraus kommt (a) ein für die moderne Hardcore-Kundschaft unsagbar unästhetischer Haufen zusammengetackerter Schwarzweißkopien, (b) ein für die Kenner und Liebhaber des schlechten Geschmacks entzückend anzusehendes Fanzine.

Als ich dann der Deutschlandzentrale des schlechten Geschmacks erfolgreich entkommen und wieder unversehrt in der Partyhauptstadt angekommen war, las ich besagtes Zine in einem Rutsch durch und fällte noch in derselben Nacht mein Urteil: Sexellente Lektüre, das! Inhaltlich ist das Teil ein Egozine von einem gewissen Markus, der neben ein paar Konzertberichten, Interviews mit Guillotine, Henry Fonda und Bräiniax (die erwartungsgemäß alle nichts zu sagen haben) auch Unmengen an Anekdoten über sein erbärmliches Dasein in Leipzig und Magdeburg sowie ausführliche Reviews seiner favorisierten SNES-Games verwurstet. Das Geile dabei ist: Der Typ hated was das Zeug hält. Und zwar eigentlich so ziemlich alles, was ihm vor die Nase kommt (knackig, kompromissloser Schreibstil inklusive).

Jetzt aber zu der Verbindung mit Sieben Zoll Musik: Vor ein paar Monaten schickte mir die Reviewabteilung unserer geliebten Partyausfall-Plattform die Split-7" von Rebarker und Unrestrained zum Zwecke der Rezension. Da ich allerdings sehr gut mit Erstgenannten befreundet bin, bat ich einfach den Mann hinter meinem neuen Lieblingsfanzine, eine Abhandlung über diese Single zu verfassen, was er auch bereitwillig tat. Hier also der offiziell erste Gastkolumnenbeitrag bei Sieben Zoll Musik:

REVIEW:
REBARKER/UNRESTRAINED - SPLIT 7"

gesichtslose möchtegern-nihilisten aus mönchengladbach fühlen sich wie 1981 in los angeles und machen brav ihr abitur. making punk beliebig again. bitte stellt euch in ein museum und schlagt auf knopfdruck henry-rollins-like mit dem mikrofon auf euren schädel ein, dann müsst ihr eure zeit nicht mehr auf ajz-bühnen mit dem krampfhaften nachspielen eines lebensgefühls verschwenden und die allgemeinheit bleibt von derlei gähnend langweiligen karnevalsmoves endlich mal verschont. es nervt.

warum ich das schreibe? weil die musik auf der im folgenden reviewten platte zwar alles andere als neu ist, aber, im gegensatz zu der in den letzten jahren aufgekeimten neofrüh80eramipunkwelle, wenigstens so etwas wie frische durchschimmern lässt. also nun zum eigentlichen objekt meines reviews: die REBARKER / UNRESTRAINED split 7", erschienen 2010 auf SUPERFLUOUS RECORDS mit der nummer 009.

diese hat mein guter freund seb irgendwann im letzten jahr bei der magdeburger labelzweigstelle für mich erworben. REBARKER kannte ich noch von der selbtbetitelten 7" [und wer kann erraten, auf welchem label das gute teil erschien?] und einem konzert mit GUILLOTINE, welches ich anfang 2009 in einem schimmligen keller in leipzig veranstaltete. sage und schreibe sieben zahlende gäste kamen, einer davon übrigens besagter seb, der mir später diese split besorgte. hier schließt sich dann also wieder der kreis oder so, ach blah. UNRESTRAINED waren mir bis dato komplett unbekannt. nun ist es so, dass ich mit splitveröffentlichungen noch nie wirklich viel anfangen konnte. klar kann ich das aus der perspektive von band und label nachvollziehen, als bloßer konsument bin ich aber eher fan von eigenständigen veröffentlichungen. eine band, eine platte, punkt. sampler finde ich sowieso fast IMMER zum kotzen. und grade wenn es um das - meiner meinung nach - punkigste und definitiv coolste aller veröffentlichungsformate, nämlich der 7", geht, nervt das einfach hart ab. fünf, vielleicht zehn minuten musik der anvisierten band, die andere seite eine handvoll mal gehört und dann desinteressiert zurück ins plattenregal gepfeffert. und so kam bei mir auch keine wirkliche freude auf, als ich das gute stück zuhause auf meinen plattenteller legte.

REBARKER: "verdammt, die werden immer besser", mein erster gedankengang. und danach irgendwann: "LOXIRAN". ohne scheiss, der song "apathy" ist wirklich ein eins-a rip-off. diese typische, treibende moshcoregitarre, dazu hektisch-anklagender gesang ... und textlich gott sei dank nicht halb so peinlich umgesetzt wie die hamburger damals. das ist dann, neben "million times before", auch mein favorisierter song auf der seite. generell verfolgt die musik vom ersten bis zum letzten song ihren roten faden, will heissen: ich kann hier glücklicherweise kein beschissenes stilgehopse raushören. es gibt hier schnelle hardcore-parts satt, die immer wieder auf moshgeschwindigkeit runtergeschraubt werden, das dann aber nicht plump und stumpf sondern ... ähm, durchdacht(?). less rock-am-ring-beschränktheit, more ebulltion-überlegenheit. attitüdemäßig sowieso. der gesang ist wunderbar verzweifelt, publikumsstatements a la "der typ hatte sicher ne schwere kindheit" sprechen da bände. das gefällt. noch ein dicker pluspunkt: alle songs gehen ineinander über, sowas ist eh immer super. 6 traxxx.

UNRESTRAINED: 90er new school hardcore, alda. ich denke es ist überflüssig, namen zu nennen; wer das review hier liest, weiß sicher eh bescheid. inklusive der obligatorischen sprechgesangpassage mit gedämpften gitarren im zweiten song, so muss das sein, so einfach lass ich mich begeistern. hätte aber ruhig ein song mehr sein können, denn nach etwa 4 minuten fährt die nadel schon wieder hoch, schade. ach und es handelt sich hier im übrigen um die UNRESTRAINED aus portland. somit wiederlegen sie auch mühelos meine theorie, dass in der ecke eh nur zum kotzen langweilige popcrustbands [TRAGEDY, FROM ASHES RISE & clones] oder grundlos gehypte WIPERS coverbands entstehen. 2 traxxx.

zum layout: d.i.y. und optisch ansprechende verpackung müssen sich also nicht zwingend ausschliessen, so so. ich als die-hard-fan von mäßig kopiertem schwarz-weiss-schnipsel-layout, beigelegten zine-ähnlichen textheftchen und handgestrickten hüllen [ich sag nur: tomte tumme tott!!] bin da immer erst mal enttäuscht, wenn es sich nur auf ein kleines textblatt beschränkt. oder wenn die platte, wie hier, fast nackt in der schutzhülle steckt. trotzdem ist das dingens dann doch ein fieser augenfänger, weil das beiblatt mal echt cool zurechtgeschnitten wurde. die rückseite beherbergt die drei essentials texte, bandinfo, label. vorne thront ein farbiger käfer über einer farblosen einheitsstadt, yo. das erinnert mich an die erste REBARKER 7" [ich dachte auch erstmal, dass diese hier vom selben layouter, nämlich steffen a.k.a. IDRAWESCAPEPLANS, entworfen worden wäre, der ebenfalls noch bei der LAURA MARS lp seine finger mit im spiel hatte. aber nein, hier war ein gewisser xschmelzerx am werke.], denn die war ja auch so cool ausgeschnitten. habe ich schon erwähnt, dass das labellogo scheissecool aussieht??



Soweit also das Review zur Rebarker/Unrestrained 7" vom Kalter-Kaffee-Schmierfinken. Wer Nachschlag brauch, kann im Folgenden einen kurzen Text aus Kalter Kaffee # 01 lesen, den ich reichlich amüsant fand oder sich direkt auf fillmyhead.wordpress.com das Teil bestellen.

Punkarsch -- "Tomte sind beschissen, Tear it up nicht."

Irgendwann im August 2010
Letztens bei meinen Eltern: Ich las in den Tocotronic-Tourtagebüchern. Nein, ich habe versucht in den Tocotronic-Tourtagebüchern zu lesen. Das ist ein fast hundertfünfzig Seiten schwaches Buch, geschrieben vom Tomte-Fatzke. Also vom Sänger einer Band, die wohl jeder Mensch mit gesundem Denkvermögen am liebsten erschossen vorfinden will. Tocotronic sind auf Tournee, der Trottel fährt mit, baut jeden Abend die Backline auf und säuft mit der Band und anderen. Das Problem sind hier nicht Tocotronic, denn zugegeben, auch wenn das peinlich ist: Ich finde Tocotronic zum Teil sogar richtig gut. Das Problem ist Thees Uhlmanns möchtegerncleverer Schreibstil. Ich versuche dieses Kackbuch nun schon zum dritten und vierten Mal zu lesen, komme aber nie über mehr als fünf Seiten am Stück. Und das bei relativ großer Buchstabengröße und recht vielen (zumindest wirklich zum Erbrechen stinklangweiligen) Fotos von der Tour, die immer mal eingestreut sind. Der Eine frisst gerne Chips auf Brötchen, was ich ziemlich cool finde, denn das mache ich auch echt gerne. Aber das ist dann auch so ziemlich die einzigste Stelle im Buch (bzw. dem, was ich bisher las), die mir ein wenig Zuspruch abringen konnte.

Der Tocotronic-Bassist, früher Bassist bei den phantastischen Punkarsch (haben 'ne sehr geile 7" veröffentlicht), wird vom Wizo-Gitarristen als Hippie beschimpft. Daraufhin verkloppt er diesen aufgrund dieser übelsten aller üblen Beleidigungen nicht etwa, nein. Er fragt ihn nach Gründen für diesen auf der Hand liegenden Fakt, will diskutieren und erklären, warum er kein Hippie ist und erniedrigt sich zum Schluss sogar zu der Aussage, dass er Wizo ja trotzdem gut fände. Alter, wenn etwas kein Punk ist, dann das! "Lieber stehend sterben als kniend lebend", grölte eine einst vor allem in der Autotuning- und Viehzuchtszene vergötterte Tankstellenrockkapelle, und diesen Slogan hätte sich der Müller echt einmal mehr zu Gemüte führen sollen, anstatt sich von irgendwelchen glubschäugigen Distelmeyers gehirnficken zu lassen.

Die meiste Zeit geht es eh um Thees bzw. seine Rauch-, Trink- und Fahrgewohnheiten. Für Tomte-Fanabschaum also eine Anschaffung wert. Ey, was is eigentlich die Zielgruppe von Tomte? Gymnasiastenbratzen, die sich von Billy Talent hörenden Realschulbratzen abzugrenzen versuchen? Philosophie studierende Hipsteridioten mit Fotografiehobby und Reichshauptstadthype? Oder ist Tomte nun vielleicht schon wieder ein, zwei Schippen zu uncool, weil zu unexklusiv? Hört eben jeder Scheiteltrottel, der zwecks Abi oder Erstsemester in die coole Großstadt zieht. Ach egal, ich weiß auch nicht mehr, worauf ich überhaupt hinaus will.

Tocotronic sitzen im Bus, auf Tour in den USA und auch Deutschland und zwei Seiten lesen sich wie ein komplettern Tourbericht der zweijährigen Scorpions-Abschiedstour. So einen derben Kaugummieffekt hat dieses Schundwerk. Den Buchverbrennungsgag spar ich mir aber an dieser Stelle, denn das ist wirklich pietätslos. Das Buch werde ich wohl im Leben nicht mehr durchlesen, schon gar nicht, wenn sich weiterhin so obercoole Bands wie die gerade laufenden Tear It Up gründen, mit denen sich die eigene Lebenszeit viel besser und unterhaltsamer zu Ende bringen lässt.

Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.