Seaweed -- Service Deck / The Weight 7"

Diagnose: Außenbandriss im oberen Sprunggelenk. Der Doc meint: Mindestens sechs Wochen Sportpause. Nachdem ich in den ersten vier Wochen nun The Sopranos, The Walking Dead, Generation Kill, Sons of Anarchy und etliche schlechte Filme geschaut habe, wies mich ein Kollege gestern drauf hin, dass ich doch mal was Sinnvolles mit meiner Zeit anfangen und wieder Kolumnen schreiben könnte. Gesagt getan ...

... bevor ich zur Seaweed 7" komme noch ein Wort zu den genannten Serien:

Sopranos ist uneingeschränkt empfehlenswert. Besonders toll fand ich, dass es mein Lieblingscharakter Peter Paul "Paulie Walnuts" Gualtieri bis zur letzten Staffel schafft. Einzig das Ende der Serie war meiner Meinung nach irgendwie albern. Erst wollte ich mir ein paar Blogs dazu durchzulesen -- Interpretationshilfen für Film-Dummies wie mich halt --, aber irgendwie fand ich das dann doch etwas unwürdig. Ich meine, da ziehe ich sechs Staffeln durch und freue mich auf ein Grand Finale (welcher Art auch immer) und alles was kommt, ist eine komische Schlussszene und ein schwarzer Bildschirm.

The Walking Dead ging so. Hab nur die erste Staffel gesehen und bin momentan auch nicht sicher, ob es eine zweite gibt/geben wird. Am Anfang ist die hemmungslose Brutalität relativ erfrischend, mit der den Zombies die Gehirnpaste aus den Schädeln geprügelt wird. Nach zwei Folgen lässt der Effekt allerdings nach. Da auch sonst nur eine Reihe flacher Charaktere in einem schwachen bzw. nicht vorhandenem Plot umherdümpeln, ist die ganze Angelegenheit spätestens in der sechsten Folge einfach nur noch erbärmlich langweilig und maximal als Einschlafhilfe geeignet.

Sons of Anarchy -- Biker-Crew in Kalifornien zwischen Hippietradition und Waffenhandel hin- und hergerissen zerfleischt ihre Gegner und nach und nach auch sich selbst -- fängt gut an, leidet aber ab der zweiten Staffel an einem Übermaß an Action und Dramatik. Mich würde mal eine Statistik der Morde, Gewalttaten und per laienhafter Not-OPs auf pecksigen Billardtischen verarzteten Schussverletzungen in dieser Serie interessieren. Highlight: Henry Rollins als White-Power-Nazi (Black Flag-Tattoo hinten und "I kill Nig****" Schriftzug vorn). Seit ich SAMCRO schaue, stelle ich mir mehrmals täglich die Frage: "What would Gemma do?" Und wie Keile schon richtig bemerkt hat, lautet die Antwort immer wieder aufs Neue: "Kill'm'all, I guess."


Generation Kill ist von dem Typen, der Everybody's-Favourite-TV-Show The Wire produziert hat und bisher meine absolute Lieblingsserie. In den (leider nur) sieben Folgen geht es um eine Aufklärungseinheit der amerikanischen Marineinfanterie während der Invasion des Irak 2003. Im Verlauf der Invasion wird die Einheit immer wieder von ihrem wahnsinnigen Befehlshaber, der bezeichnenderweise Godfather genannt wird und von sich selbst nur in der dritten Person redet, immer wieder als Stoßtruppe auf sehr gefährliche Missionen geschickt.
Aus den anfänglich euphorischen und kriegsgeilen Soldaten wird zum Ende hin dann ein größtenteils desillusionierter und psychisch labiler Haufen. Coolste Charaktere: Iceman (Alexander Skarsgård a.k.a. Eric Northman aus True Blood) und Ray (James Ransone a.k.a. Ziggy aus The Wire). Die besten Dialog-Parts hat Sgt. Antonio "Poke" Espera, der dauernd politischen Subtext ablässt:

"Fifty percent of Americans are obese dog. You know what obese means, right? Fat as a motherfucker. All these other countries nobody's fat. Think about this shit, dog? How does a motherfucker get fat? You gotta sit on the couch and do nothing but eat and watch TV all day. White trash, poor Mexicans and Blacks, all obese as motherfuckers. See, the white man has created a system with so much excess that even poor motherfuckers are fat."

So, jetzt kann die Wursthaar tragende Treehugger-Fraktion kurz Schwallbrechen gehen und sich danach an Pamphleten mit Überschriften wie "Hardcore ist aber mehr als Fernsehserien glotzen!" abarbeiten. Die Welt braucht euch so sehr wie ich ein drittes Nasenloch.

Für alle anderen hier eine kurze Besprechung der letzten Seaweed 7":

Nach etlichen Jahren der Funkstille beehren uns die Könige des angegrungten Powerpop-Hardcores mit zwei neuen Songs auf einer schnicke aufgemachten No-Idea-Single inklusive Cut-Out-Cover. Seaweed haben einen langen Weg hinter sich: 1989 in Tacoma, Washington gegründet, erspielte sich die Band mit ihrem Samiam-fickt-SubPop-Sound relativ schnell eine treue Fangemeinde und brachte während der Neunziger fünf reguläre Alben und unzählige Singles raus. Nach einem Ausflug in Majorlabelgefilde veröffentlichte die Truppe 1998 ihr letztes Full-Length-Release wieder auf einem Indie (Merge Records) und löste sich 2000 auf. Sieben Jahre später kam dann aus dem Off die Meldung: Seaweed sind zurück und arbeiten an einem neuen Album! Keine Ahnung, ob wirklich wer drauf gewartet hat -- schließlich spielten Seaweed irgendwie immer nur in der zweiten Liga und haben, besonders posthum, nie einen derartigen Legendenstatus wie ihre Szenekollegen von Quicksand, Samiam, Jawbox, Sunny Day Real Estate etc. pp. aufbauen können.

Zur Musik: "Service Deck" ist ein hymnischer Midtempo-Smasher mit jeder Menge Power und einer leider etwas vorhersehbaren Laut-Leise-Dynamik. Melodischer Premiumhardcore zwischen Samiam und späten Jawbreaker, würde ich sagen. Der Orgeleinsatz zum Schluss hätte nicht notgetan, aber gut ... "The Weight" auf der B-Seite ist etwas ruhiger gehalten und irgendwie auch unspektakulärer.

Unterm Strich bleiben zwei im musikalischen Gesamtkontext überdurchschnittliche Songs von einer Band, der ich vier Jahre nach ihrer Reunion allerdings überzeugenderes Material zugetraut hätte.

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Seaweed -- Service Deck / The Weight 7" (No Idea Records), 2011