No Coast / Jackals -- Split 7"

Neuerdings schicken mir Leute sogar Platten zum Reviewen zu. Das ist natürlich toll, stellt mich aber auch vor die schwere Aufgabe, nette Menschen hin und wieder mit weniger netten Reviews zu enttäuschen. Musikalisch geht's diese Woche um eine Split 7" der englischen Bands No Coast und Jackals auf Nerdcore Records. Darüber hinaus erfahrt ihr etwas über meinen ersten Besuch im Fitnessstudio und andere Nebensächlichkeiten ...

Neulich völlig unerwartet aus meinem Briefkasten gefischt: eine neue Attraktion aus dem Abstrusitätenkabinett des südostdeutschen Labels Nerdcore Records -- die No Coast / Jackals Split 7". Der Name des Labels ist Programm: Es werden nur nerdige, sprich irgendwie absonderliche Releases veröffentlicht. Meist bezieht sich diese Absonderlichkeit bei Nerdcore Records nicht unbedingt auf die Musik, sondern viel eher auf die Gestaltung des Gesamtpakets. Der Plan wird übererfüllt: Farbiges Vinyl ist Pflicht, Siebdruck obligatorisch, neckische Einleger oder ausgetüftelte Falt- und/oder Falzsysteme an der Tagesordnung, Handnummerierung unumgänglich. Neuerdings wird das Ganze dann noch mit einem Wachssiegel verschlossen, das man zum Anhören der Platte zerbrechen muss -- wahrscheinlich ein ganz besonderer Kick für so einen richtigen Nerd, wenn er sich mit dieser Deflorationsmetapher aus Wachs beschäftigen darf. Kopfschüttel!


Anyways, zur Musik ...

A-Seite: No Coast kommen aus Brighton in Südengland und spielen so einen räudig hypernervösen Stückel-Hardcore, wie man ihn von alten Powerviolence-Truppen kennt. San-Diego-Kante: ja, Thrashcore-Anflüge: ja, aber alles noisiger und mit wenig Stil und Grazie dargeboten. Hört sich ungefähr so an, wie ein Straßenköter nach einem Gewitter riecht: Fies. Tempo variiert zwischen zackig und midtempo. Stimme ist durchgehend hoch kreischend, oft anstrengend krächzig. Nach drei Songs in vier Minuten und vierzig Sekunden isset dann auch überstanden.

B-Seite: Jackals treiben ebenfalls am Ärmelkanal ihr Unwesen und schlagen musikalisch in die gleiche Kerbe wie ihre Kollegen auf der A-Seite. Ich weiß nicht genau, ob es am Dead-Kennedys-Cover (Chemical Warfare) liegt, dass ich Jackals punkiger finde als No Coast, aber irgendwie erscheinen die mir rumpeliger und technisch weniger ambitioniert als ihre Mitstreiter.


Die Scheibe kam ursprünglich 2011 bei Dog Knights Productions (ihr ahnt es, ebenfalls in Brighton ansässig) raus und wurde dann von Nerdcore Records mit anderer Aufmachung noch einmal bzw. parallel veröffentlicht. Unterm Strich lässt sich meine Einschätzung mit einem Schulterzucken und den Worten "Ja, kann man machen, muss man aber nicht kaufen" zusammenfassen.

Label: Nerdcore Records
Extra: Dead-Kennedys-Cover
Note: Hauptsache, die Haare liegen

So, Pflichtprogramm abgehakt. Nun zum überflüssigen Teil ... Ja, ich war diese Woche zum ersten Mal in meinem Leben im Fitnessstudio. Und nein, es war nicht geil. Abgesehen davon, dass es eine dumme Idee war, mitten im Hochsommer eine Muckibude im vierten Stock eines großen Berliner Einkaufszentrums austesten zu wollen, war alles ganz genauso, wie ich es mir schon immer vorgestellt hatte: Unmengen von Vin-Diesel-Typen und Pornoschick-Tanten, ätzender Kirmestechno durch die Lautsprecher und auf Vertragsabschluss geeichte Olvenstedtschnitten am Empfangstresen. Höhepunkt war dann ein ganzkörperenthaarter Pumper mit eher geringer Körpergröße und verrücktem Tribal-Teufel-Tattoo auf der Brust in der Umkleide, der nackt vor einem Wandspiegel posierte und sich mit einer Pinzette einzelne Härchen von Schulter und Oberarm zupfte. Meiner Einschätzung nach stand der Honk kurz davor, sich einen auf sein eigenes Spiegelbild runterzuholen. Schade eigentlich, dabei hatte ich mich schon mit der monatlichen Investition für die Mitgliedschaft arrangiert und war bereit, das ein oder andere Auge bei der Klientel zuzudrücken. Dass ich allerdings so viele Augen bräuchte, hätte ich nicht gedacht. Dann also erstmal weiter mit Mark Lauren.

Ansonsten überlege ich gerade, der Jungle World untreu zu werden. Thematisch mittlerweile festgefressen bis zum Abwinken, scheinen die Praktikanten nach der Redaktion nun auch noch das Lektorat übernommen zu haben. Jede Regionalzeitung hat weniger Typos in ihren Berichten über Gartenfeste und Einkaufszentrumseröffnungen aufzuweisen -- und verpackt diese größtenteils sogar spannender als es der JW bei den meisten ihrer Traktate gelingt. Ohne Michalke hätte ich schon längst das Handtuch geworfen. Meist schaue ich mir erst sein Bigbeatland-Comic und danach seine Single-Kolumne an, um mich anschließend an einzelnen Artikeln zu versuchen, die ich aber oftmals nicht bis zum Ende durchhalte. Mittlerweile glaube ich aber fast, dass es an mir liegt: Die Revolution findet ohne mich statt.

Nächste Woche dann was zu der Current 7" auf Six Feet Under. Bis dahin könnt ihr euch ja den nicht zu verachtenden Deathwish "Summer 2012" Sampler ziehen.

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No Coast / Jackals -- Split 7" (Nerdcore Records), 2012