Azure -- Misunderstood 7"

Gastkolumne, yeah! Dieses Mal erzählt ein ganz harter Hund was über eine ganz weiche Emo-Platte: Der Genthiner Bürgermeister Kloppi, unstoppable Moshmaschine und Womanizer par excellence, über die Debütsingle der Helmstedter Emocore-Helden Azure.

Hin und wieder bitte ich Leute, was über eine Single zu schreiben, die ihnen besonders viel bedeutet oder die sie mit irgendeiner erzählenswerten Anekdote verbinden. Die meisten sagen erstmal zu, kriegen's dann aber Ewigkeiten nich gebacken. Auch dem Herrn Klopprogge aus der einstigen Metalcore-Bastion Genthin -- seines Zeichens Sänger in Formationen wie Fall Of A Season oder Laura Mars -- musste ich eine ganze Weile auf den Senkel gehen, bevor er sich zu ein paar Zeilen durchringen konnte:

Im Jahr 1 nach Kurt Cobains Ableben -- und was war Nirvana doch für ne heftige Nummer für einen 15-Jährigen! -- geschah es, dass EIN Tape die bis dato recht beschauliche, kleinstädtische Musikszene veränderte.
Die Legende besagt, dass ein gewisser Ronny von einer Klassenfahrt nach Bremen ein Tape mitbrachte -- und mensch kann bereits erahnen, was sich so darauf tummelte. Genau! Die gesamte Bremer Connection -- Systral, Age, Assay, Rusty James etc. und eben auch besagte Azure, die zwar nicht aus Bremen oder dem von Kühen und Bauern verseuchten Bremer Umland stammten, dennoch auf diesem Mixtape vertreten waren. Viele der Bands auf dem Tape sollten später in der Kleinstadt abgehypt und verklärt werden und den offiziellen Status musikalischer Heilsbringer erhalten -- Azure blieben für den Kleinstadtjungen und viele seiner Freunde aber eben immer DIE Überband!
Warum? Keine Ahnung. Azure spielten brachialen Hardcore, der immer wieder von selbstzweiflerischen, am Rande zur völligen Selbstaufgabe stehenden Momenten unterbrochen waren und unser -- so bildeten wir es uns zumindest ein -- Gefühlsleben auf den Punkt brachten. Für uns, die bis zu diesem Zeitpunkt durch Brightside, Rykers, Racial Abuse und die ganze NY-Tough-Guy-Soße sozialisiert waren, taten sich dort völlig neue, atypische Songstrukturen und Sounds auf. Wir nannten das damals Emocore und wir lebten dafür. 17 Jahre danach schaffen Azure dies immer noch. Bleibt nur herauszufinden, ob die Musik so gut -- mensch sagt theatralischerweise gern "zeitlos" -- oder die Liebe zu dieser Band ein Produkt der Umstände, der Jugend, der Zeit ist. I don't wanna know. I don't wanna care!

Dem kann ich eigentlich nicht sonderlich viel hinzufügen, außer vielleicht: War ne wirklich geile Zeit. Hier die Einschätzung vom Emo-Großmeister Kent McClard höchstpersönlich:


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Azure -- Misunderstood 7" (Honesty Records), 1995