Wer vom Lande kommt und in Dorfpunkbands gespielt hat, wird mit großer Wahrscheinlichkeit auch mal Nazis Raus! von Slime gecovert haben. Und wer das, wie ich, gefühlte Jahrhunderte vor Einführung des Internets machte, wird auf seinen in Punkerklaue beschrifteten Slime-Tapes hinter dem Titel Nazis Raus! ganz bestimmt nicht den Vermerk "Beton Combo-Cover" gefunden haben. Im Rückblick natürlich etwas bitter und ein weiterer Beweis für meine Theorie, dass ganze Generationen von Dorfpunks durch diese ewige Slime-Fixiertheit viele Deutschpunkperlen übersehen haben.
Schade, Schokolade, denn irgendwann hat jeder mal von Alle gegen Alle und Yankees Raus genug und entdeckt Against The Grain, The Age Of Quarrel, Screaming For Chance oder Break Down The Walls. Dann ist Deutschpunk für ein paar Jahre nur noch peinlich und abgemeldet -- und zwar mindestens bis zur ersten Nostalgiephase, die bei mir mit 20 aufkam.
Wenn ich mir dann heute Platten wie die 2014 von Static Age/Static Shock Records wieder aufgelegte 7" der eingangs erwähnten Beton Combo anhöre, fällt's mir wie Schuppen von den Augen und mir wird klar, was für geniale Deutschpunkbands es doch gab. Aber was soll's?! Besser spät als nie.
Im Folgenden die der Re-Issue beigefügten Liner Notes von Tom Schwoll (Zerstörte Jugend, Jingo de Lunch, Skeptiker), der auf sehr charmante Weise alles sagt, was zu dieser Single zu sagen ist:
"Es muss ca. 1980 gewesen sein, dass ich das erste Mal den Namen Beton Combo gehört habe. Jeden Freitag gab es eine Disco im Mittelstufenzentrum Lipschitzallee, wo ich mich auf der Suche nach einer Toilette über eine Wendeltreppe in einen Proberaum verirrte. Dort traf ich einen Schlagzeuger, der mir erklärte, er sei der Schlagzeuger von Beton Combo. Ich war schwer beeindruckt.
Ich kannte die Musik zwar noch nicht, wusste aber, dass es eine Punkband aus der Gropiusstadt war, und hatte läuten hören, die seien schwer angesagt. Wer die Gropiusstadt kennt, der weiß, was für ein grenzgenialer Name Beton Combo für eine Punkband ist, deren Protagonisten aus einer gerade aus dem Boden gestampften Trabantenstadt kommen, eine regelrecht Betonwüste, die schon damals als sozialer Brennpunkt galt. Christiane F. (Felscherinow) hatte mit ihrem Buch Wir Kinder vom Bahnhof Zoo einen Riesenhit gelandet und so der Gropiusstadt zu einem überregionalen Bekanntheitsgrad verholfen.
Zwei Jahre Später spielte ich mit einer Punkband, die sich Zerstörte Jugend nannte. Bad Brains, Adolescents und Minor Threat waren zu dieser Zeit meine großen Helden, als ich eher durch Zufall die Beton Combo EP High On War in die Finger bekam. Ein Hammer-Punksong, der alles beinhaltete, was einen perfekten Song ausmacht: geiles Arrangement, coole Hookline, stimmige Lyrics, eine ordentliche Portion Rock'n'Roll angeführt von einer aggressiv vortragenden Stimme.
Ich hatte damals die für meine Umwelt oft nervige Angewohnheit, eine Stunde oder länger denselben Song zu hören, und ich freute mich immer wieder diebisch auf die Schlagzeugbetonung im Gitarrensolo, die mich irgendwie an Motörhead erinnerte. Das mit dem Refrain gleich der Song beginnt, nämlich erst die Stimme, dann die Band und nicht umgekehrt, fand ich derzeit so unverfroren wie genial. Ebenso wie den Stopp in der ersten Strophe: "Auf deinem Rücken steht 'We come to kill'." Ein super Bassgewitter war auch eingebaut und alles so raffiniert zusammengebastelt, dass zumindest für mich an keiner Stelle des Songs Langeweile entstand. High on war ... rattattattattatta!
Circa fünf bis sechs Jahre später spielte ich mit einer Band namens Jingo de Lunch, schielte auch ein wenig nach Kohle und stand natürlich auf der Gästeliste bei einem ausverkauften Slime-Konzert in der Hasenheide. Zum Höhepunkt des Konzertes, als die obligatorische Coverversion des Beton Combo-Liedes Nazis raus anstand, und Slime und 1500 betrunkene Deutschpunks Sänger Heske auf die Bühne grölen wollten, weigerte sich dieser standhaft. Ein paar Jahre später hatte ich die Gelegenheit, Heske auf das Konzert anzusprechen, worauf er mir in knappen, aber deutlichen Worten erklärte, dass er keineswegs dazu bereit sei, ein aus einer politischen Überzeugung entstandenes Lied auf einer Karnevalsveranstaltung oder einem Klassentreffen vorzutragen. Beton Combo hatten niemals die Intention mit ihrer Musik Geld zu verdienen. Sie waren eine echte Punkband."
Tom Schwoll, Berlin 2014
Schade, Schokolade, denn irgendwann hat jeder mal von Alle gegen Alle und Yankees Raus genug und entdeckt Against The Grain, The Age Of Quarrel, Screaming For Chance oder Break Down The Walls. Dann ist Deutschpunk für ein paar Jahre nur noch peinlich und abgemeldet -- und zwar mindestens bis zur ersten Nostalgiephase, die bei mir mit 20 aufkam.
Wenn ich mir dann heute Platten wie die 2014 von Static Age/Static Shock Records wieder aufgelegte 7" der eingangs erwähnten Beton Combo anhöre, fällt's mir wie Schuppen von den Augen und mir wird klar, was für geniale Deutschpunkbands es doch gab. Aber was soll's?! Besser spät als nie.
Im Folgenden die der Re-Issue beigefügten Liner Notes von Tom Schwoll (Zerstörte Jugend, Jingo de Lunch, Skeptiker), der auf sehr charmante Weise alles sagt, was zu dieser Single zu sagen ist:
"Es muss ca. 1980 gewesen sein, dass ich das erste Mal den Namen Beton Combo gehört habe. Jeden Freitag gab es eine Disco im Mittelstufenzentrum Lipschitzallee, wo ich mich auf der Suche nach einer Toilette über eine Wendeltreppe in einen Proberaum verirrte. Dort traf ich einen Schlagzeuger, der mir erklärte, er sei der Schlagzeuger von Beton Combo. Ich war schwer beeindruckt.
Ich kannte die Musik zwar noch nicht, wusste aber, dass es eine Punkband aus der Gropiusstadt war, und hatte läuten hören, die seien schwer angesagt. Wer die Gropiusstadt kennt, der weiß, was für ein grenzgenialer Name Beton Combo für eine Punkband ist, deren Protagonisten aus einer gerade aus dem Boden gestampften Trabantenstadt kommen, eine regelrecht Betonwüste, die schon damals als sozialer Brennpunkt galt. Christiane F. (Felscherinow) hatte mit ihrem Buch Wir Kinder vom Bahnhof Zoo einen Riesenhit gelandet und so der Gropiusstadt zu einem überregionalen Bekanntheitsgrad verholfen.
Zwei Jahre Später spielte ich mit einer Punkband, die sich Zerstörte Jugend nannte. Bad Brains, Adolescents und Minor Threat waren zu dieser Zeit meine großen Helden, als ich eher durch Zufall die Beton Combo EP High On War in die Finger bekam. Ein Hammer-Punksong, der alles beinhaltete, was einen perfekten Song ausmacht: geiles Arrangement, coole Hookline, stimmige Lyrics, eine ordentliche Portion Rock'n'Roll angeführt von einer aggressiv vortragenden Stimme.
Ich hatte damals die für meine Umwelt oft nervige Angewohnheit, eine Stunde oder länger denselben Song zu hören, und ich freute mich immer wieder diebisch auf die Schlagzeugbetonung im Gitarrensolo, die mich irgendwie an Motörhead erinnerte. Das mit dem Refrain gleich der Song beginnt, nämlich erst die Stimme, dann die Band und nicht umgekehrt, fand ich derzeit so unverfroren wie genial. Ebenso wie den Stopp in der ersten Strophe: "Auf deinem Rücken steht 'We come to kill'." Ein super Bassgewitter war auch eingebaut und alles so raffiniert zusammengebastelt, dass zumindest für mich an keiner Stelle des Songs Langeweile entstand. High on war ... rattattattattatta!
Circa fünf bis sechs Jahre später spielte ich mit einer Band namens Jingo de Lunch, schielte auch ein wenig nach Kohle und stand natürlich auf der Gästeliste bei einem ausverkauften Slime-Konzert in der Hasenheide. Zum Höhepunkt des Konzertes, als die obligatorische Coverversion des Beton Combo-Liedes Nazis raus anstand, und Slime und 1500 betrunkene Deutschpunks Sänger Heske auf die Bühne grölen wollten, weigerte sich dieser standhaft. Ein paar Jahre später hatte ich die Gelegenheit, Heske auf das Konzert anzusprechen, worauf er mir in knappen, aber deutlichen Worten erklärte, dass er keineswegs dazu bereit sei, ein aus einer politischen Überzeugung entstandenes Lied auf einer Karnevalsveranstaltung oder einem Klassentreffen vorzutragen. Beton Combo hatten niemals die Intention mit ihrer Musik Geld zu verdienen. Sie waren eine echte Punkband."
Tom Schwoll, Berlin 2014
Beton Combo -- Sound Ltd 7", Static Age (2014)