Pisse -- Kohlrübenwinter Do7"

Meine Lieblings-Ronnys haben eine neue Platte, eine Doppel-Seven-Inch sogar. Und sie ist großartig.

Mit Schinken durch die Menopause habe ich buchstäblich im Plattenladen liegen lassen (bestellt, bezahlt und bis heute nicht abgeholt) -- zum Teil aus Verpeiltheit, zum Teil aber auch weil mir die Lobhudelein der Feuilleton-Spacken und Musikshitiker suspekt waren. Nichts gegen Erfolg und Anerkennung, gerade für Musiker. Aber wenn mittlerweile sogar Kultur- und Sportautoren der taz die vier Zonen-Ronnys anpreisen, dann darf man sich schon mal fragen, ob man nicht im falschen Film sitzt. Besonders bei Überschriften wie "Post-Punk-Renaissance in Deutschland". Besonders bei Artikeln mit Sätzen wie "Das Krachrock-Trio Die Nerven (...) gilt einigen als zeitgemäße Nirvana-Version – ihre Heimatstadt wurde zum Schwabenseattle gekürt."

Dabei haben Pisse einiges getan, um sich nicht von der Hype-Maschine verwursten zu lassen. Zum Beispiel: Ihre "Interviews" mit Spex und Konsorten, zu denen sie entweder ihre Ronny-Kumpels schickten, um der Jutebeutel-Fraktion ordentlich Dünnes aufzutischen oder aber selbst durch schnippische Einsilbigkeit glänzten (die allerdings zu einem nicht unerheblichen Teil der unsäglichen Dämlichkeit der Fragen geschuldet war).

Vier Ronnys vor der Kaufhalle. Hoyerswerda, 2016.
Ganz gleich wohin, die Reise für Pisse letztendlich gehen wird, die Texte der soeben auf Phantom Records* veröffentlichten Kohlrübenwinter Do7" sind wieder Mal zum Tätowieren geil. Vernissage zum Beispiel: "Wie die alle nuckeln an ihren Sektflöten / Du steht in ihrer Mitte und willst sie alle töten." Oder auch Armes Schwein: "Männer, Kinder, Frauen / Auf die Schnauze hauen / Kokain auf's Haus / Die Sicherung springt raus / Ein gut bezahlter Schläger / Fäuste aus Quarz und Leder / Von der Sonnenbank ganz braun / aber nur in deinem Traum / Armes Schwein / Kaffeekochen, Schreibarbeit / Das ist deine Wirklichkeit."
Erfreulich wenig Interpretationsspielraum, wie ich finde.



Die Musik bleibt Pisse: Lo-Fi-Post-Punk-Geschrammel mit Surfkante und rudimentärem Pop-Appeal. Unprätentiös, unterproduziert, nie länger als nötig. Alles sehr erfreulich und zusammengehalten von geschmackssicheren Audiosamples.
So, genug geschleimt. Weitermachen.

Pisse -- Kohlrübenwinter Do7" (Phantom Records*), 2016

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* Ist tatsächlich eine Labelkollabo:
Phantom Records: http://phantom-records.blogspot.de/
Beau Travail: http://beautravail.blogspot.de/
Harbinger Sound: http://harbingersound.bigcartel.com/
In A Car: http://inacar.bigcartel.com/
Gafas del Rigor: http://gafasdelrigorcassettes.blogsport.de/