Death Is Not Glamorous -- Demo 7"

Zur Abwechslung mal ohne großes Vorwort.
Ein Gespräch über die Lieblings-7-Inch von Stulle, dem Schreihals von Krank.

Moin Stulle, welche 7" Single möchtest du gern vorstellen?
Ich habe zwar recht ausgeprägte Messie-Tendenzen, aber das Plattensammeln zum Glück vor ein paar Jahren aufgegeben. 7-Inches habe ich daher nur ein- bis zweihundert, da ich auch vorher nie totaler Nerdsammler war, sondern nur gekauft habe, was mich zu der jeweiligen Zeit so richtig gekriegt hat. Somit habe ich nur einen Abend damit zugebracht, zunächst eine Auswahl zu treffen und mich dann durchzuhören. Das Allein war die Sache schon Wert!
Ich bin genre-technisch nicht sehr festgelegt, aber ich hasse SKA. Nur mal so am Rande.
Eine Zeitlang habe ich kaum noch Punk und Hardcore gehört, sondern steckte knietief im Stoner-/Schweden-/Skandinavienrock. Die Singles von Fu Manchu und Hellacopters hab ich trotzdem direkt links liegen gelassen, denn eine viel wichtigere Sozialisationsphase wurde indirekt durch Dean Dirg eingeläutet.
Um die soll es an dieser Stelle jedoch auch nicht gehen, sondern, das mag vielleicht überraschend sein, um das "Demo" von Death Is Not Glamorous.



Ich kann mich nicht daran erinnern, wann und wo ich Death Is Not Glamorous das erste mal gesehen oder gehört habe, und vermutlich fand ich die anfangs auch scheiße, weil zu poppig, aber dann hat es mich doch irgendwie erwischt.

Das Demo ist es geworden, da ich mich nun mal entscheiden musste, obwohl ich inzwischen nahezu alles gut finde, was die rausgebracht haben. Vielleicht ist das so, weil es meiner Weltsicht völlig entgegensteht. Da wird PMA propagiert, während ich stets "positiv" durch "negativ" ersetze. Textlich ein ganz anderer Ausgangspunkt, aber die Ziele sind die gleichen, würde ich behaupten. Es geht um das Leben, Liebe und Freundschaft und die Liebe zum Leben und Musik. Ich würde wiederum Liebe durch Hass austauschen, aber auch nur, weil die Umstände es nicht anders zulassen.
Es geht darum, sich zu ändern, um die Welt zu verändern, den Blick so auf die Dinge zu richten, dass sie in einem anderen Licht erscheinen. Böse Zungen könnten behaupten, es handele sich um einen verhaltenstherapeutischen Lebensratgeber. "Hey we got the PMA!"

Musikalisch irgendwo zwischen Gorilla Biscuits und Jawbreaker, melodiöser Hardcore eben. Unfassbar energiegeladen und durch die Platzierung der Texte recht unkonventionell.
Von Jawbreaker ist auch das schöne Zitat "Did that no one ever live a life this hard?" in "The Fallback" entlehnt. Lass hinter dir was dich kaputt macht, manchmal musst du ganz allein da durch, aber deine Freunde werden immer für dich da sein und dir den Rücken stärken.
"Good friends, good times and wide smiles" drückt das Gefühl, das eine*n beim Hören überkommt, überdeutlich aus. Vor meinem geistigen Auge sehe ich Bilder von DIY, Subkultur, kleinen autonomen Zentren, Weekendern und Touren mit den KRANKen Typen und all den Menschen, die genauso für all das brennen.
"We may not be rich, but we've got more than most and we're more than content with discomfort". Lässt sich natürlich auch als Kritik an sozialer Ungleichheit und Aufruf zum Kampf gegen das System und zum "unbequem sein" lesen.

Wie bist du auf die Death Is Not Glamorous 7” aufmerksam geworden? Wo hast du sie gekauft / getauscht / geklaut?
Ich habe jetzt 'ne ganze Weile versucht das zu rekapitulieren, aber es gelingt mir einfach nicht. Alte Flyer und Konzertfotos lassen zumindest keinen Rückschluss darauf zu, wann ich sie das erste mal live gesehen hab. In der Punkrock(konzert)gruppe im AJZ war ich auf jeden Fall noch nicht dabei, daher bin ich vermutlich drauf gestoßen, als ich mich bei Markus im Plattenladen durchs Sortiment gehört habe und hab die dann direkt gekauft, natürlich. Wobei das Demo erst viel später auf Vinyl rausgekommen ist, also muss die Undercurrents 7" zuerst eingeschlagen haben. Ich erinner mich auch noch sehr gut an ein paar Konzerte. Eins davon war in Münster im Bosporus Grill, direkt am Bahnhof. Im Hinterzimmer der Dönerbude  wurden da ab und zu Konzerte veranstaltet. An dem Abend wurde es der Betreiberin allerdings zu bunt, da das vegan-straight-edge Publikum offenbar nicht für den erhofften Umsatz sorgte. Und so stellte sie noch vor der letzten Band den Strom ab. Es ging dann kurzerhand in den Proberäumen beim Getränkemarkt Lappe weiter, wobei ich da schon zurück im Zug nach Bielefeld saß. Ich  war ja ohnehin nur wegen Death Is Not Glamorous dort, daher also schnurzegal. Das letzte Konzert bei dem ich sie gesehen hab, war 2010 mit Glasses und Patsy O'Hara in der Roten Flora. Leider inzwischen alle tot, die Bands. Das war eine spitzen Sause und somit ein würdiger Abschluss des Kapitels für mich, auch wenn sie erst später das Zeitliche gesegnet haben. Auch ich bin nur um Haaresbreite dem Tod von der Schippe gesprungen, da der Ex-Freund meiner neuen Freundin noch drohte, mir meine Streichholzbeine zu brechen ... hat er dann aber doch sein gelassen.



Irgendeine Ahnung, was aus Dath Is Not Glamorous geworden ist?
Nö, kein Plan. Hab gerade mal versucht, was raus zu bekommen, aber außer ein paar Aktivitäten einzelner Mitglieder hier und da in diversen Bands wohl nix mehr los. Schade auf jeden Fall.

"Plattensammeln zum Glück vor ein paar Jahren aufgegeben" ... Warum zum Glück? Kaufst du gar keine Platten mehr? Wie hörst du dann Musik? Bandcamp all day every day?
Doch, ich kaufe noch Platten, aber sehr viel weniger als "früher". Ich bin sonst wenigstens alle zwei Wochen in die Plattenläden meines Vertrauens getingelt und dann mit 'nem ordentlichen Stapel von dannen gezogen. Ein Grund dafür, dass ich das reduziert habe war, dass ich oftmals Sachen mit nach Hause geschleppt hab, die mich dann doch nicht lang genug fesseln konnten. Jetzt höre ich mir auf jeden Fall sehr viel intensiver Sachen bei Bandcamp an und versuch das digital zu besorgen. Wenn die Halbwertzeit dann stimmt, besorg ich mir die LP.  Außerdem habe ich vor ein paar Jahren generell meinen Konsum sehr stark reduziert. Ich kaufe gar keine Klamotten mehr, Bücher und andere Dinge tausche oder leihe ich, wenn möglich, und nur, wenn's nicht anders verfügbar ist, wird gebraucht gekauft. "Besitz macht nicht frei". Positive Begleiterscheinung: Ich muss nicht mehr so viel arbeiten!

Ich finde Ska als Genre auch zum Verbieten. Warum ist das bei dir so?
Ich kann dieses pseudofröhliche Gedudel einfach nicht ertragen. Das klingt immer dilettantisch stumpf und kein Stück innovativ. Trompeten und Rotzkannen sollten auch in den meisten Fällen verboten werden. "Ska macht mich noch viel wütender als Mayhem", hat Joao mal gesagt, als wir unter anderem mit einer solchen Band gespielt haben und in den Umbaupausen den ganzen verdammten Abend NUR Ska lief. Das hätte fast Tote gegeben.

Welche Singles kamen neben der Death Is Not Glamorous 7" in die nähere Auswahl?
  • Dean Dirg, die "Split" mit Henry Fiats.
    Neben den anderen Knallern gibt's mit "Some Kinda Hell" eins meiner absoluten Herzschmerz-Lieblingslieder: "Got back on my feet -- already took a walk -- now i'm looking for some ass to kick."
  • The Italian Stallion -- 12 Song EP 7"
    Der Song "Pistolendiktat" von der zweiten 7" ließ damals schon aufblitzen, was heute Abfukk ist.
  • The Tangled Lines / Dick Cheney -- Split 7"
    Thrash-Hardcore war mal ne echt "große" Nummer und vor allem ein Riesenspaß.
  • Fucked Up -- Police 7"
    Generell eine Ausnahmeband.
  • Regulations -- Different Needs 7"
    Single hab ich nur diese, aber alle Alben sind Top.
  • Ceremony -- Rohnert Park EP: Sick 7"
    Wäre ich Wrestler, das wäre die Einmarsch-Hymne.
  • Comadre -- Cold Rain 7"
    Auch hier gilt: Album super.
  • The Soundtrack Of Our Lives -- Bigtime 7"
    Ich habe mal im Selbstversuch mit dem Käsemann probiert beim Fantasykarten spielen so viele, eigentlich gute Platten, wie möglich einer Band chronologisch hintereinander zu hören. Das war unerträglich. Vielleicht lag es aber auch daran, dass wir mit Yes und Deep Purple angefangen haben. Von The Soundtrack Of Our Lives ist allerdings alles so unfassbar gut, dass wir locker alle sechs Alben mit Genuss weggehört haben.
  • Brausepöter -- Bundeswehr / Keiner kann uns ab 7"
    Eine Perle der Musikgeschichte, die erst mit dreißig Jahren Verspätung veröffentlicht wurde. NDW-Punkrock aus Rietberg, direkt neben dem Kaff, aus dem ich entflohen bin.
... vermutlich könnte ich die Liste nahezu endlos weiterführen, da es mir ungeheuer schwer fällt, mich festzulegen. Zum einen, da mich sehr viele dieser und andere Bands und deren Platten begleitet und geprägt haben, zum anderen, da ich mich aus der Rolle des Kritikers der ALLES Scheiße findet heraus begeben muss, um etwas positiv zu bewerten. Das fühlt sich nicht richtig an und macht mir Angst.
Hätte es sich hier um LPs gehandelt, wäre die Sache keinesfalls leichter geworden, allerdings die Mischung so richtig krude und bunt; von den Sechzigern bis heute durch fast alle Genres.

Death Is Not Glamorous. Und Stulle ganz vorn mit dabei.

Mir geht das auch so mit dem Alles-Scheiße-Finden. Eine Theorie, woher das kommen könnte?
Na ja, es ist nun mal fast alles scheiße! Diese negative Weltsicht führt ja nicht zwangsläufig zu Resignation. Auch wenn absolut klar ist, dass alles vor die Hunde geht, versuchen wir doch immer wieder dagegen anzukämpfen, anstatt wie die meisten drauf zu scheißen und den Untergang voran zu treiben. Solange der Hass den Willen zur Veränderung bestärkt, werden wir versuchen, die Welt zu einer besseren zu machen.
Musik ist zwar immer Geschmackssache, aber der ganze dümmliche, sich anbiedernde Einheitsbrei ist für mich genauso überflüssig wie Ska.

P.S.: Der konkurrenzlose Klassiker für alle Zeiten ist Philip Bailey im Duett mit Phil Collins. Die Platte hat Tobert mir letztes Jahr von Tour mitgebracht. Danke, Käseschwein, du bist der Beste. "Easy Lover" ist neben "Invisible Touch" wohl eines der fröhlichsten Lieder über gebrochene Herzen. Das kann mensch immer mal gebrauchen und hat auch wieder etwas von der Attitüde hinter Death Is Not Glamorous: Wenn das Leben dir Zitronen schenkt, mach Limonade draus.
Ich würde sagen: Scheiß Welt, scheiß Leben.

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Death Is Not Glamorous -- Demo 7" (True North Records), 2005